Neue Perspektiven

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Es ist Juni 2021. Ein sonniger Sonntag und endlich mal ein bisschen entspannen nach einer intensiven Woche. Hier und da mal nachhören wie es geht, ein paar Telefonate führen. Gedanklich hat sich schon wieder viel angestaut. In der Ruhe merke ich, dass mir aktuell etwas fehlt. Ich mag es kaum aussprechen, weil es mir so ein hohes Gut ist. Aber es ist nun einfach Fakt. Vor 1,5 Jahre, wo noch keiner an Pandemie oder Abstand gedacht hatte, fühlte ich mich inspirierter. Inspiriert von Menschen, aus Beziehungen durch Gemeinschaft oder Abenteuer. Das ist in der letzten Zeit einfach zu kurz gekommen.

Brauche ich das denn immer? Muss ich immer inspiriert sein? Nein, ich denke nicht. Aber es tut einfach gut. Für mich ist es eine Frage der Perspektive. Inspiration bring in mir neue Denkmuster zu Tage. Es ist wie als würde ich die Dinge, die ich weiß und kann oder die ich für richtig halte, plötzlich in einem neuen Licht sehen. Inspiration lässt mich auch sprudeln. Ich habe plötzlich das Bedürfnis mit vielen Menschen über meine neuen Erkenntnisse und Gedanken zu reden. Ich muss etwas loswerden oder neu klar bekommen. Wenn ich das nicht habe, dann gehe ich eher in mich, sehe meine eigenen Fragen oder Baustellen und beschäftige mich damit. Das hat auch etwas Gutes, aber es bringt mich meistens darin nicht viel weiter. Andere Perspektiven oder Inspirationen treffen mich nämlich auch oft in meinen eigenen Fragen und Baustellen und fordern mich heraus.

Ich habe mich gewöhnt daran immer etwas Neues zu entdecken, etwas Neues zu hören, mich weiterzuentwickeln oder etwas Neues auszuprobieren. Ist das nicht da, kribbelt es mir in den Fingern. Ich kann auch sonst selten gut stillsitzen. Und wenn ich es tue, finden in meinem Kopf Gedankenexplosionen ungeahnter Natur statt, die mich wieder in Bewegung setzten wollen. So ist das nun mal.

Aber es fällt dann schwer wenig inspiriert zu sein, wenig neue Perspektiven zu bekommen. Und ich denke, dass es auch gut ist, neu Perspektiven aufzuschnappen aus folgenden Gründen:

Ich halte die Welt für weniger komplex als sie eigentlich ist

Wer die Politik und Geschichte verfolgt ahnt, dass große Leiter, die einfache Antworten auf komplexe Fragen geben, oft ungeahnte Absichten in sich tragen. Wenn ich mich keinen neuen Perspektiven ausgebe, beantworte ich meine Fragen mit dem Erfahrungsschatz, den ich besitze. Ich breche ein Problem oder eine Gegebenheit auf meine Sichtweise herunter, nutze die Methoden, die ich aus meiner Arbeit oder meinen Glaubenssätzen kenne. Oft ist das nur ein Stück vom Kuchen und ich komme auf tragfähigere Antworten, wenn mir unterschiedliche Perspektiven zur Verfügung stehen.

Ich begrenze die Hoffnung

Vor kurzem stirbt einer der größten DIY Youtuber Deutschlands an Krebs. Philipp Mickenbecker hat uns Deutschen die Hoffnung gelehrt. In seiner eigenen größten Not, von Krebs zerfressen, spricht er von Hoffnung, ermutigt Menschen das Leben auszukosten und die großen Fragen nach Sinn zu beleuchten. Das ist enorm krass. Rest in Peace! Wenn ich in meinem eigenen Saft schmore, habe ich diese Hoffnung manchmal nicht. Nicht jeder sprudelt da wie Philipp aus sich heraus. Wer das Leben auskosten will und Hoffnung erfahren möchte, der braucht Menschen, die einem sagen, dass man es kann. Uns allen tut die Perspektive gut, dass wir mehr können als wir selbst in uns sehen.

Ich gebe Antworten auf Fragen, die niemand stellt

Als gläubiger Mensch bin ich von Gottes Perspektive durch den christlichen Glauben enorm inspiriert. Ich treffe dort auf viele spannende Perspektiven. Und sobald ich einen großen Sack voll Wahrheiten für mich gefunden habe, versuche ich diese auch auf die Umstände und Situationen anderer Menschen zu projizieren. Mein „ich habe für mich herausgefunden“ verpacke ich in einem Ratschlag als Patentlösung für die Probleme anderer Menschen. Wenn ich nur meine Perspektive anderen unterjuble, anstatt genau hinzuhören, gebe ich Antworten auf Fragen, die niemand stellt. Mir geht die Empathie verloren. Ich will aber mehr fragen, mehr verstehen, mehr lieben!

Ich finde weniger Worte für die Lebensrealitäten anderer Menschen

Das was andere Menschen in ihrem Leben erfahren ist oft ganz anders zu dem was ich erlebe. Wenn ich manchmal davon höre, was andere Menschen durchmachen, – in Freude oder Leid – habe ich gar keine Worte dafür. Ich versuche es durch meine eigene Brille zu sehen und zu verstehen. Aber es ist mir fremd. Nur wenn ich unterschiedliche Brillen aufsetzten kann, kann ich mehr verstehen, bessere Worte finden und klarer sehen. Auch wenn dass wohl nie ganz der Fall sein wird. Aber man wird besser.

Ich lerne aus den Fehlern anderer

Als sehr technisch denkender Mensch mache ich sehr häufig den Fehler in meinen Entscheidungen die Komponente Mensch nicht oder zu wenig zu berücksichtigen. Ich brauche dafür jemanden wie meine Freundin, die mir klar macht, dass ich etwas vergesse oder zu wenig berücksichtigt habe. Das ist gut und wichtig. Wenn wir immer die gleichen Denkbrillen aufsetzten, machen wir systemische Fehler. Desto mehr fremde Perspektiven wir kennen, desto besser können wir diese auf anstehende Herausforderungen oder Entscheidungen abstrahieren und ganzheitlicher entscheiden. Das macht uns zu reicheren Menschen.

Auch wenn es aktuell schwierig ist neue Perspektiven und viel Inspiration aufzufangen, weil Kontakt fehlt oder viele Dinge eingestampft sind, ist es dennoch möglich. Meine Methode ist etwas anderes zu machen als sonst. Etwas, dass man zuvor noch nie gemacht hat. So habe ich die letzten beiden Monate immer wieder mit dem Fernglas den Luftraum meines Gartens beobachtet. Ich bin extrem erstaunt gewesen wie viele neue Vogelarten ich entdeckt habe, die ich vorher noch nicht einmal bei Namen nennen konnte. Plötzlich wird mir eine ganz andere Realität klar, die sich eigentlich direkt vor meinem Fenster abspielt. Das inspiriert mich auf neue Art und Weise.

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Nate

Ich bin Nate, schreibe über Gott und die Welt. Und alles was es dazwischen noch so gibt.

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