Wie kommt der Ökostrom ins Haus?

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Zu Beginn erstmal weg mit dem Mythos: Der Strom, den ich bezahle, ist nicht zwangsweise der Strom, den ich auch bekomme. Wenn ich Ökostrom beziehe, kommt der nicht direkt aus einem Windrad auf meine Steckdosen. Dafür müsste es eine direkte Leitung an mein Haus geben. Strom sucht sich physikalisch den kürzesten Weg. Er kommt also immer aus dem nächstgelegenen Kraftwerk. Auch wenn das ein Kohlekraftwerk ist, ich aber für Ökostrom zahle. Im Stromnetz kann der Ökostrom von den konventionellen Stromarten wie Atom oder Kohle nicht mehr unterschieden werden. Das ist zunächst wichtig zu wissen.

Marktbedingungen

Der Ökostromanbieter kauft den Strom an und muss dann auch nachweisen, wo dieser herkommt. Die kWh, die Deutschland erneuerbar erzeugt wird, erhält hier einen Herkunftsnachweis. Das ist praktisch gesehen ein Stück Papier, welches aussagt, dass die entsprechende Anlage eine gewisse Menge kWh erneuerbaren Strom erzeugt hat. Sobald ein Kunde bei dem Anbieter Ökostrom ankauft und verbraucht, werden diese Herkunftsnachweise entwertet. Die Entwertung des Kunden wird wiederum der Bundesnetzagentur gemeldet. Da laufen dann die Fäden zusammen.

Der Ökostrom muss dabei nicht unbedingt aus Deutschland kommen. Viel von unserem Ökostrom kommt auch aus anderen EU-Ländern. Wir haben einen europäischen Strommarkt. Die Länder sind untereinander sehr gut vernetzt. Es macht also keinen Unterschied. Produktionsbedingungen und Nachweise sind erstmal überall gleich.

Deutsche Spezialitäten

Wenn man nur deutschen Ökostrom haben möchte, gibt es ein Problem. Denn davon darf gar nicht soviel verkauft werden. Die Zahlen sagen, dass wir etwa 30% Ökostrom im deutschen Netz haben. In Deutschland ist die Gesetzeslage für die Stromhändler besonders. Es darf gar nicht jeder Ökostrom in Deutschland an Endkunden vermarktet werden. Etwa ein Drittel des produzierten Stroms in Deutschland ist wirklich Ökostrom. Der meiste Anteil davon ist allerdings geförderter Ökostrom. Geförderter Ökostrom, so schreibt der Gesetzgeber vor, darf nicht an Endkunden vermarktet werden. Idee dahinter ist, dass der Strom ohnehin schon durch die Regierung gefördert ist. Wenn er dann noch als Ökostrom vermarktet werden würde, hätte er nochmal einen Mehrwert, sozusagen doppelt gefördert. Eigentlich ist Ökostrom aber gar nicht unbedingt teurer als anderer Strom. Letztendlich dürfen etwa nur 5% des Ökostroms in Deutschland wirklich vermarktet werden. Andere Länder haben solche „interessanten“ Regelungen nicht.

Wie „grün“ ist aber jetzt der deutsche Ökostrom?

Nochmal: Der Ökostrom, der gefördert wird, darf also nicht vermarktet werden. Er ist einfach nur im Netz. Die Regierung hat sich dann dazu entschlossen diesen Strom über alle Energiekonzerne auszuschütten. De facto bedeutet das: Selbst, wenn ein Energiehändler nur Atomstrom einkauft, er muss am Ende bei der Stromkennzeichnung (also das, was in der Abrechnung des Endkunden steht) sogar erneuerbare Energien angeben. Somit können Anbieter, die z.B. nur Atom- und Kohlestrom einkaufen, bis zu 40% ihres Stromanteils als Ökostrom anbieten, obwohl sie gar keinen einkaufen. Sowas durchblickt der Endkunde gar nicht. Wie auch. Am Markt gibt es aber sehr wenig Protest gegen dieses besondere Vorgehen der Regierung, da es ja vielen Anbietern zugutekommt. Sie müssen wenig tun und werden automatisch immer „grüner“.

Welche Fakten sind jetzt verlässlich?

Für den Endkunden, der gerne Ökostrom beziehen möchte, bedeutet das, dass nicht nur Preise und Angebote verglichen werden müssen, sondern auch der Anbieter durchleuchtet werden muss. Ansonsten kann es vorkommen, dass man Ökostrom bei einem Kohl- oder Atomanbieter kauft. Dieser kauft ja dann faktisch gar keinen Ökostrom ein. Die Frage ist also was bietet der Anbieter sonst so an? Hat er auch Ökostromangebote? Wer sicher gehen will muss sich einen reinen Ökostromanbieter aussuchen. Nur dann kann man sicher gehen, dass das Geld, was man zahlt auch wirklich in die Energiewende investiert wird.

Das Produkt direkt sehen

Beim Kauf von Strom kann man trotzdem nicht genau wissen, wo der Strom herkommt, ob er nun regenerativ erzeugt wurde oder nicht. Natürlich kann man sich über einen Anbieter genau schlau machen. Das „Produkt“ -den regenerativen Strom- bekommt man aber nicht zu Gesicht. Das kann sich in Zukunft ändern. Lösung sind Projekte, die sowohl von Kommunen als auch von privaten Anbietern angestoßen wurden. Die Wuppertaler Stadtwerke haben zum Beispiel Talmarkt ins Leben gerufen. Der Ansatz: Blockchain. Strom wird von regionalen, erneuerbaren Energieerzeugern gekauft. Im Minutentakt kann dann nachverfolgt werden, welche Anlage gerade liefert und wo der Strom herkommt. Jeder Nehmer und Geber wird in der Blockchain ein Knotenpunkt. Alle Teilnehmer sind untereinander verbunden. Das Ganze kann dann online nachverfolgt werden.

Andere Ideen

Die Firma Anyway bietet eine Plattform, die einen direkt an die Ökostromerzeuger vermittelt. Man bekommt einen Produzenten aus seiner Region an die Hand. Zertifikate werden von den Produzenten direkt hergestellt, er speist ins Netz ein und entwertet das Zertifikat für den Kunden selbst. Das Ganze wird über die Plattform vermittelt. Für den Verbraucher ändert sich eigentlich nichts. Der Kunde kann den für sich passenden Produzenten auswählen und den Vertrag abschließen. Der Stromverkäufer hat den größeren Aufwand mit den Zertifikaten dabei.

Ökostrom wird durch diese Ansätze zunehmend übersichtlicher und persönlicher. Sehr spannende Bewegungen innerhalb des Strommarktes. Da kommen verändernde Jahre.

1 Kommentar

Nate

Ich bin Nate, schreibe über Gott und die Welt. Und alles was es dazwischen noch so gibt.

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