Ein Café für unsere Stadt

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Stadtgefühle

Langenau ist eine Stadt im Alb-Donau-Kreis mit etwa 15000 Einwohner. Man orientiert sich sehr an Ulm als dem nächstgrößeren Ballungsraum. Trotz der Vorstadtgeografie kommt ein bisschen Dorf-Feeling auf. Das liegt vermutlich an den lauten Traktoren, den vielen Feldern vor der Stadt oder dem aggressiven Güllegeruch im Sommer. Dennoch sind wir keine Stadt hinterm Mond. Carsharing, E-Bike Stationen, der Bahnhof oder der Stadtbus pumpen den Puls der Zeit nach Langenau. Jedenfalls mag ich es hier.

Die Not des Kollektivs

Wem das nicht genug ist oder wer nicht zum Kreis der Geschworenen gehört, also zu jenen, die in Langenau geboren wurden, dem fehlt etwas. Zwar gibt es Vergnügungsorte wie Schwimmbad, Sauna, Restaurants oder Ähnliches, aber es gibt keine Atmosphäre-Orte. Es gibt keinen Ort an dem man sich wie auf einer zweiten Couch, eben wie zuhause fühlt. Wo man ein Lächeln bekommt oder ein Kaffee, wo der Puls des Lebens schlägt, wo man hingeht, wenn man nicht weiß was man sonst machen soll. Eine Alternative. Das fehlt.

Jetzt denkt man sich, dass das meine Sicht als „Zugezogener“ ist. Aber schnell stellte sich raus, dass dem nicht so ist. Das erste Mal merkte ich das, als ich samstagsnachts im Bus von Ulm nach Langenau unterwegs war. Ich hörte gespannt dem Gespräch zweier Pärchen zu, die sich in einem Vierer gegenüber saßen. Sowohl das Ältere Pärchen als auch das jünger waren sich nach einiger Zeit der Diskussion einig, dass es in Langenau an einem Café fehle. An einem Ort mit Qualität. Deshalb müsse man regelmäßig nach Ulm fahren, um sich das zu holen was es hier nicht gäbe. In nachfolgenden ein, zwei Jahren hörte ich immer wieder ähnliche Aufschreie.

Zusammen Träumen

Vor zwei Jahren wollte ich einen Stammtisch gründen. Was Inoffizielles, eine gemütliche Runde zum Reden über Gott und die Welt. Es gab nur leider keinen neutralen, schönen Ort dazu. Zeitgleich traf ich eine Frau, die mir von ihrer Idee erzählte, ein Café zu gründen. Irgendwie haben unsere Gedanken gut zusammengepasst, wir haben uns inspiriert und zusammen geträumt. Und da war das Café, der Atmosphäre-Hotspot für unsere Stadt geboren. In unseren Köpfen zumindest. Und es war genial!

Die Vision ist einfach und zentriert sich im Wesentlichen auf die Not, also die leere Stelle in der Stadt, die wir ausfüllen wollen. Das Produkt was verkauft wird ist einfach Atmosphäre. Jetzt ist Atmosphäre nicht skalierbar mit Zahlen, kann nicht in einem Businessplan festgehalten werden, aber es ist ein Programm und letztendlich der unique selling point, das was die anderen nicht haben – wir aber.

Die Atmosphäre macht sich breit durch gewisse Attribute, die es in einem Café braucht. Wenn man sich die Frage stellt, wo man sich schnell wohlfühlt kommt man eben nicht nur auf hochwertigen Kaffee oder was Nettes zum Essen. So kamen wir auf unser Atmosphärekonzept.

Vom Anfangen

Wo fängt man jetzt an? Um in dem Prozess klar zu bekommen was und wie wir es genau machen wollten, haben wir Lernreisen unternommen. Wir haben verschiedene Cafés besucht, zu denen wir Kontakt aufgebaut hatten. Es waren alles Cafés, die über den Verkauf von gutem Kaffee und dem Bereitstellen toller Ambiente hinweg, noch einen Auftrag für ihre Stadt oder ihr Umfeld verspürt haben. So waren wir beispielsweise bei einem Café, das parallel als Coworking Hotspot fungierte und Eventlocations zur Verfügung stellte. Wir waren bei einem Café, welches neben dem normalen Betrieb von einer Kirchengemeinde genutzt wurde und soziale Aspekte verkörperte oder bei einem Cafe, das sich auf Kultur und Begegnung spezialisiert hatte. All diese Leute haben uns inspiriert, von ihren Erfahrungen erzählt und uns wichtige Fragen gestellt.

Nach und nach wurde uns klar, dass in einem Cafe viel Luft und Liebe steckt, die Profitabilität ein hartes Geschäft ist und grüne Zahlen mit viel Arbeit und wenig Personal in Zusammenhang stehen. Aber das schreckte uns fürs Erste nicht ab. Wir suchten den Kontakt zur Stadtverwaltung, konnten unsere Idee einige Male pitchen und fanden Unterstützer.

Zu Beginn von 2020 dann hatten wir eine gute Aussicht auf eine Lokation, die für den Anfang perfekt war, in der Stadt gut zugänglich und aus der man viel hätte machen können. Dann kam Corona. Als klar wurde, dass das ein längeres Ding wird, haben viele Überlegungen und Pläne dann Rückschritte statt Fortschritte gemacht.

Durch Glauben inspiriert

Meine Gefährtin und ich wir sind unter anderem inspiriert durch unseren Glauben. Wir machen jetzt kein Missions-Café oder der gleichen. Wir wollen niemandem unseren Glauben unterjubeln. Das ist nicht unser Ding. Aber was wir inspirierend finden ist, wie Jesus Menschen begegnet ist. Jesus sprach die Persönlichkeit von Menschen an aber auch die Gesellschaft. Wie und wo er es tat war ausschlaggebend. Jesus kam und bot seine Hilfe mitten im Alltag an. Begegnungen beim Arbeiten, beim Essen oder unterwegs waren vollkommen normal. Das Übernatürliche entsprang aus dem ganz Natürlichen. Hoffnung macht sich in ganz verschiedenen Facetten breit. Das finde ich einen inspirierenden Gedanken. Auch in unserer Stadt sind Menschen oder Gruppen mit ihren Fragen, Problemen oder auch ihren Freuden unterwegs. Wie kann da Hoffnung rein kommen oder Freude multipliziert werden?

Learning

Eine Sache hat mich immer wieder fasziniert, ja sogar verblüfft. Ein Kaffee als Solches haut im Sinne einer „neuen Idee“ heute kaum mehr wen vom Hocker. Man erfindet ja auch das Rad nicht neu. Aber der Gedanke eines Hubs, einer Plattform und einem Begegnungsort schlägt Wellen. Und auch in Deutschland werden alternative Formate wach. Auch Leute, die sich sonst wenig in einem Kaffee aufhalten würden, sind für die Ideen zu begeistern. Und das liegt schlicht und ergreifend an dem Sinn, der transportiert wird. Sinngetriebene Unternehmungen sind auf alle Fälle ein Teil der Zukunft. Ich hoffe sehr, dass unser Atmosphäre Ort bald an den Start gehen kann. Vielleicht bring uns Corona auch noch auf andere Gedanken und vielleicht müssen wir unsere Ideen und Konzepte anpassen. Das Produkt soll aber dasselbe sein.

3 Kommentare

  • So ein cooler Drive. Ich bin gespannt, wann und wie eure Idee praktisch an den Start geht.

    Diesen Satz fand ich besonders inspirierend: „Das Übernatürliche entsprang aus dem ganz Natürlichen.“ Bin ich total Fan von. Den Fokus auf Alltägliches, Gewöhnliches, Normales legen – da kann man so viel Besonderes und Wertvolles entdecken. #theartofasimplelife

Nate

Ich bin Nate, schreibe über Gott und die Welt. Und alles was es dazwischen noch so gibt.

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