Deutschrapper reden über Gott und die Welt.
Rapper gehen tief
Ich höre eigentlich nicht viel Hip-Hop. Besonders halte ich nicht viel von dem Mainstream Deutsch-Rap. Mir sind die Ausdrucksweisen fremd und ich finde es blöd, wenn Rapper in Wirklichkeit nicht das meinen, was sie in ihrer Musik transportieren. Ich hatte mir in vergangener Zeit einige Interviews von bekannten Deutschrappern angehört und kam zu dem Schluss, dass sie viel von dem, was sie von sich geben, nicht ernst meinen. Sie folgen häufig einem Jargon, der die Szene prägt. Sozusagen gewissen „Rap-Gesetzen“. Naja, wie dem auch sei. Vor einiger Zeit fand ich gefallen an dem ein oder anderen eher unbekannteren Rappern. Es schien mir, als gibt es eine kleine Szene von Hiphop-Künstlern, die sich doch nicht ganz so ernst nehmen und ihre Musik trotzdem feiern. Was ich bemerkenswert fand, war, dass sich einige dieser Rapper wirklich Gedanken über Gott und die Welt machen.
Rap ist eben auch eine Kunst. Eine Art und Weise sich auszudrücken und die Welt zu verarbeiten. Aber hier eben anders, wie der Mainstream. Klar, wenn man über 500PS oder heiße Frauen rappt, lässt sich da jetzt auch nicht arg viel Inhalt unterbreiten. Aber zurück zu meinen Rapper-Freunden. Häufig geht es bei Ihnen um Sinn, die Frage nach Religion und der Umgang der Menschen in unserer heutigen Zeit. Das hat mich super interessiert und teilweise inspiriert es mich sogar. Manchmal rezipieren sie einige Passagen und Slogans aus der Bibel oder stellen spannende, existenzielle Fragen. Mal ein paar Beispiele.
Glaubenskonfrontation
Dexter erzählt in seinem Song „Semmelweisreflex“ die Geschichte des Mediziners Ignaz Semmelweis. Ihm fällt auf, dass die Menschheit sich nicht gerade wie „die Krone der Schöpfung“ verhält. Diese Phrase wird oft mit dem biblischen Schöpfungsbericht der Welt zusammengebracht. Retrogott redet in seinem Track „Die Fragwürdigkeit des Menschen“ über Gott und warum er ihn für ein Abbild oder eine Projektion hält. „Bim Bim“. Da klingelt was. Klingt arg nach dem großen Gotteskritiker Ludwig Feuerbach. Der sprach auch schon über die Schwäche des Menschen, seine eigenen Probleme und Schwierigkeiten in einer Gottesprojektion zu kompensieren. Scheinbar hat er die Bibel zumindestens auszugsweise gelesen. Retrogrott spricht in demselben Track z.B. auch von der „Hure von Babylon“. In der Bibel versteht man darunter meist einen großen Gegner des Glaubens. Interessant.
Existenzkonfrontation
Weiter geht’s mit Lito Akari. Ein deutscher, recht unbekannter Artist. In seinem Track „Terra Incognita“, was so viel heißt wie „unbekanntes Gebiet“, stellt er die Frage: „Is this area controlled by some unknown species?“. Er fordert: “Search for answers to the questions of space existence. Seach, in fact, for the questions”. Hat irgendwie etwas arg Spirituelles, wenn man mich fragt. Zumindest auf der Suche. Für ihn scheinen die großen Fragen über Herkunft und Bestimmung der Welt noch nicht klar zu sein.
Paradieskonfrontation
Keno hingegen bezeichnet sich in “Pij” als tief religiöse Person, trotz, dass er das Christentum vermutlich als falschen Ausweg bezeichnen würde, wenn ich ihn richtig verstehe. Er meint, dass das Erlebnis des Geheimnisvollen mit Furcht gemischt die Religion gezeugt hat. Die Begegnung mit dem Geheimnisvollen bezeichnet er als lebenswichtige Erfahrung. Manche Künstler stellen sich auch ein „Paradies“ oder eine neue Welt vor. Diese Vorstellung kennen wir auch aus so gut wie allen Religionen.
K.I.Z und Henning May sprechen in “Hurra die Welt geht unter“ über eine Utopie der Zukunft. Diese ist sozusagen das Paradies und spielt unter dem Verlust unseres christlichen, deutschen Werteverständnisses. „Dieses Leben ist so schön, wer braucht ein Leben danach“, fragen sie.
Auf die Spitze bringen es aber definitiv Audio88 und Yassin mit ihrem Album „Halleluja“. Musikvideos sind in einer echten Kirche gedreht, während die beiden priesterliche Gewänder tragen. Es geht um Gesellschaft und Spießertum. Dazu benutzen die beiden die kirchliche Silhouette, um ihre Aussagen zu untermalen. In einem Interview von Backspin am 07.06.2016 sagen sie: „Regeln aufstellen kann jeder“. Wenn es die Kirche könne, können sie das auch. Über Kritiker, die sie in ihren religiösen Gefühlen angegriffen haben, sagen sie: „Schwache Leistung, wenn Anhänger einer Religion das nicht aushalten können“. Die beiden sind wohl selbst nicht besonders christlich oder religiös. Sie bedienen sich einfach einigen Bildern, die landläufig mit der Kirche in Verbindung gebracht werden.
Warum wir alle ran müssen
Jeder stellt sich die Fragen nach der Existenz, dem Jenseits und nach der Relevanz des Lebens. Auch Rapper. Ich finde das wirklich spannend, wie viele dieser Künstler die großen Fragen des Lebens aufgreifen und selbst versuchen darauf Antworten zu finden. Natürlich kann es auch sein, dass ich hier dem ein oder anderem Hip-Hopper etwas unterstelle, was er selbst gar nicht so teilen würde. Mag sein. Wenn man mich fragt, empfinde ich aber trotzdem bei vielen dieser Künstler eine Sehnsucht, Antworten zu finde. Das wollen wir ja alle. Ich glaube auch, dass die häufige Kirchenkritik oft nur ein Schleier ist, hinter dem man sich versteckt. Eigentlich hat man seine eigene Weltsicht nämlich selbst noch nicht ganz so klar. Über andere herziehen ist dann immer relativ einfach. Noch was anderes. Ich bezeichne mich ja selbst auch als gläubigen Menschen. Ich finde es spannender, wenn Menschen die christliche Religion – auch, wenn ich den Begriff gar nicht mag – kritisieren, anstelle sich vollkommen gleichgültig gegenüber ihr zu verhalten. Wenn man sich provoziert oder getriggert, durch die Erklärungen anderer oder deren Versuche, sich die Welt zu erklären, fühlt, bedeutet das für mich, dass man selbst im Nachdenken steckt. Der Gegensatz hierzu wäre die Gleichgültigkeit. Dann kann ja einfach alles richtig oder falsch sein. Es spielt eben keine Rolle mehr. Unzufriedenheit mit Antworten oder Mangel – darin ist schließlich immer ein Motivator.
Jetzt aber für die Ohren!
Hier mal ein paar Tracks auf die ich in diesem Artikel Bezug genommen habe. Mit dem Button geht es auf meine Spotifyplaylist, unten gibts die schnelle Befriedigung.
Ein super interessanter Artikel, mach weiter so! Es verleiht einem den Mut oder die Idee mal etwas anderes an der Rapkunst zu sehen und (unbekannte) Künstler aus einer anderen Perspektive zu betrachten, ohne den Hype und das ständige Streben nach Ruhm und Geld, was man normalerweise im Hinterkopf behält nach einigen Liedern.
Danke Lukas! Cool, dass es inspiriert weiter zu denken. 🙂