Klärungsbedarf Kläranlage

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Wie funktioniert eigentlich unser Abwassersystem? Ein guter Freund von mir ist Abwassertechniker und nimmt mich hin und wieder auf seine Anlagen mit, zeigt und erklärt mir alles. Wie öffentliche Betreiber von der Abwasserentsorgung und der Frischwasserversorgung funktionieren ist oft nicht wirklich bekannt. Okay, die Leitungen und Netze sind meist unter der Erde. Aus dem Auge aus dem Sinn, wen interessiert dann schon wo die Klospülung hinfließt? Die visuelle Präsenz gibt es also nur, wenn man mal an einem Klärwerk vorbei fährt. Als kleiner Junge habe ich mich schon immer gefragt wie in diesen großen Becken wohl das Wasser sauber werden würde. Heute bin ich ein bisschen „aufgeklärter“… An dieser Stelle vielen Dank an Adrian, der mit wirklich alles zweimal erklärt hat, bis ich es wirklich gecheckt hatte. Bist ein Guter!

Let’s go, auf einen virtuellen Rundgang auf der Kläranlage.

Das Abwasser

Abwasser ist natürlich dreckiges Wasser, ganz klar. Aber was macht das Wasser genau dreckig? Im Abwasser sind überwiegend zwei „dreckige“ Stoffe enthalten. Da ist zum einen Ammonium. Es entsteht beim Abbau von Fäkalien, Harn oder kommt aus Abfällen. Es ist im Wasser in vor von Nitraten zu finden. Zum anderen sind da Phosphate. Sie kommen aus Seifen und Waschmitteln, die wir im Haushalt gebrauchen. Um diese beiden Verunreiniger geht es auch überwiegend in den Klärprozessen am Klärwerk. Aber dazu gleich mehr.

Abwassersysteme

Bei den Abwassersystemen unterscheidet man zwischen Misch- und Trennsystem. Beim Mischsystem fließt das Regenwasser und das Abwasser in gemeinsamen Leitungen zum Klärwerk. Schwierigkeit ist hierbei, dass bei einem großen Regenereignis die Wassermassen zunächst zurückgehalten werden müssen, damit sie dann geregelt dem Klärwerk zur Reinigung zufließen können. Beim Trennsystem können Pumpstationen und Kläranlagen kleiner ausgelegt werden, da das Regenwasser direkt in ein nahliegendes Gewässer geleitet wird. Lediglich das Abwasser wird beim Trennsystem der Kläranlage durch die Kanalisation zugeführt. Welches System wo vorliegt, hat meist historische Gründe, die in der Stadt- oder Ortsentwicklung begründet sind. Die Schritte des Abwassers, wenn das Wasser durch das Abwassersystem dem Klärwerk zufließt:

1 .Pumpwerk

Die Kanalisation ist unter der Erde und die Kläranlage sehen wir meist auf der Oberfläche. Das bedeutet, dass das Abwasser einen Höhenunterschied überwinden muss. Dies geschieht durch Pumpwerke. Direkt an der Kläranlage werden dazu meist archimedische Schnecken eingesetzt, da diese Abwasser mit groben Verunreinigungen fördern können. Kreiselpumpen tut grob verschmutztes Wasser meist nicht gut und erhöht deren Wartungsintervalle.

Kleine Pumpstation mit zwei archimedischen Schnecken

2. Rechenanlage

Neben dem chemisch verunreinigten Wasser sind im Wasser meist noch grobe Verunreinigungen enthalten, die nicht reingehören. In der Fachsprache spricht man von Schweb- oder Sperrstoffen. Das sind feuchte Tücher, die sich im Gegensatz zum Toilettenpapier nicht in Cellulose zersetzen, Kondome, tote Ratten, und vieles mehr. An der Rechenanlage werden diese Sperrstoffe aus dem Abwasser entfernt. Über Schnecken und Förderbänder gelangen diese meist unmittelbar in einen Container, der von entsprechenden Fachfirmen regelmäßig abgeholt wird.

3. Sandfang

Im Sandfang sind die Fließgeschwindigkeiten des Wassers sehr gering, damit sich der Stand aus dem Abwasser absetzten kann. Der abgesetzte Sand wird abgepumpt. Was macht bitte Sand im Abwasser? Habe ich mich auch erst gefragt… Die Antwort ist einfacher als man denkt: Er kommt von Baustellen oder aus ausgewaschenem Erdreich. Ah. Stimmt, kling logisch.

Sand- und Fettfang: Sand lagert sich am Boden, Fett schwimmt wie zu sehen auf und wird (links unten zu sehen) durch eine Oberflächensauger entfernt.

4. Belebtbecken

Nun kommen wir zum Herz der Kläranlage, dem Belebtbecken. Zuvor war alles eine mechanische Reinigung. Nun wird das Wasser biologisch gereinigt. Dazu kommt der Belebtschlamm zum Einsatz. Im Belebtschlamm tummeln sich abertausende Bakterien und Mikroorganismen, die den Schmutz, also das, was wir nicht im Wasser haben wollen, aufessen. Dazu benötigen sie Sauerstoff. Im Betriebsgebäude des Klärwerks stehen dazu meist große Gebläseanlagen, die den Sauerstoff am Grund der Becken einblasen. Chemisch gesehen passieren zwei Prozesse.

  1. Nitrifikation (Nitri): bei der Nitrifikation wird Ammonium bakteriell zu Nitrat oxidiert. Dafür braucht es Sauerstoff, der durch die Gebläse eingeblasen wird. Man spricht im Fachjargon auch von der aeroben Zone des Klärwerks.
  2. Denitrifikation (Deni): bei der Denitrifikation wird das Nitrat zu molekularem Stickstoff umgewandelt. Dieser ist nicht mehr schädlich (Unsere Atmosphäre besteht zum großen Teil aus Stickstoff).

Meist wird hier auch noch sogenanntes Flockungsmittel dem Wasser zugeführt. Das Flockungsmittel verbindet sich mit dem Posphat und kann dann über das Absetzten des Klärschlamms im nächsten Schritt entfernt werden.

Belebtbecken: Die Bräune kommt durch den Klärschlamm, zu sehen sind auch die Wasserzirkulationen durch Rührwerke am Grund.
Kleines Silolager mit Flockungsmittel zur Phosphatentfernung

5. Nachklärbecken

Hat das Wasser das Belebtbecken passiert, fließt es in das Nachklärbecken. Dort beruhig sich das Wasser und der Klärschlamm setzt sich am Boden ab. Er wird zum Teil wieder zurück in das Belebtbecken gepumpt und zum Teil wird er im Faulturm eingedickt. Es ist sehr wichtig, dass kein Klärschlamm in unsere Gewässer gelangt. Dort würde dieser nämlich dem Gewässer den Sauerstoff entziehen. Fische und andere Lebewesen würden sterben. Was also in der Kläranlage gut und nützlich ist, ist im Fluss nicht gewollt.

6. Faulbehälter

Die Faulbehälter sind meist die großen Türme auf den Kläranlagen. Nicht jede Kläranlage hat einen eigenen Faulturm, aber die größeren meist schon. Dort wird der Klärschlamm bei ca. 37° umgewälzt. Dabei entsteht Faulgas. Dieser Prozess dauert bis zu 25 Tagen. Wieder sind Mikroorganismen am Werk, die die organischen Stoffe des Klärschlamms umwandeln. Anschließend wird der Klärschlamm entwässert und einer Düngefabrik oder einer Klärschlammverbrennung zugeführt. Das Faulgas besteht zu 70% aus Methan. Es wird gereinigt und dann zur Energienutzung verwendet. Oft erzeugt das Klärwerk mehr Energie als es zum eigenen Betrieb braucht und führt diese Energie in Form von Fernwärme oder elektischem Strom wieder ab.

7. Ablauf

Wenn das Wasser das Nachklärbecken überwunden hat wird es häufig noch in einen Schönungsteich geleitet. Das sind die nett aussehenden Teiche mit Schilf und viel grün, die in der Nähe vieler Anlagen zu sehen sind. Im Schönungsteich setzen sich die letzten Flocken des Klärschlamms ab. Manchmal wird auch hier noch Sauerstoff eingeleitet. Anschließend fließt das Wasser wieder dem Fluss (auch Vorfluter genannt) zu. Das ist auch der Grund, warum Kläranlagen meistens in der Nähe eines fließenden Gewässer anzutreffen sind. Ahhh.

Essentials

Insgesamt braut das Wasser etwa zwölf Stunden um gereinigt zu werden. Pi mal Daumen. Dieser Wert variiert natürlich je nach Größe und Voraussetzung der Anlage. Bei einem großen Regenereignis ist dieser Wert geringer. Dann ist Dank der großen Verdünnung mit viel „sauberem“ Regenwasser, der Verschmutzungsgrad des Wassers aber auch nicht ganz so hoch.

Die einzelnen Prozesse einer Kläranlage sind natürlich noch ein wenig komplizierte und ausgefuchster. Ich habe sie hier nur oberflächlich dargestellt. Manche Anlagen verfügen auch noch über ein sogenanntes Vorklärbecken, in dem sich kleine Schmutzpartikel absetzten. Immer wieder sind auf Kläranlagen Messstationen zu sehen, die die Vorgänge genau dokumentieren. Größere Anlagen haben sogar eigene Labors, in welchen die Qualität des Wassers an Ort und Stelle geprüft wird. In Deutschland hat die Abwasserwirtschaft Gott sei Dank eine sehr hohe Qualität und Güte.

Schematische Darstellung der Anlage: alles ferngesteuert versteht sich!

Kompaktere, moderne Kläranlagen können alle Prozesse auch in zwei „Reaktoren“ mit Schönungsteich realisieren, habe ich gelernt. Hier mal zwei Impresssionen:

Schöner Ausblick: zwischen Wiese und Hügel fließt der Vorfluter entlang.
Blick auf einen Reaktor

Ausblick

Die Industriestaaten reinigen ihr Abwasser zu ca. 70%. Weniger entwickelte Staaten reinigen ihr Abwasser nur sehr gering bis gar nicht. Man geht davon aus, dass weltweit etwa 80% des Abwassers unbehandelt bleibt. Die entsprechenden Auswirkungen auf Fließgewässer und deren Ökosysteme sind enorm. Aber auch die Gesundheit der Menschen leiden in der Folge darunter. Wasser gewinnt immer weiter an Bedeutung, ist die Lebensgrundlage schlechthin. Dem Abwasser muss daraufhin eine hohe Wichtigkeit beigemessen werden. Denn Frisch- und Abwasser befinden sich in ein und demselben Kreislauf. Das darf man nicht vergessen.

Wer mehr dazu wissen will, Weltwasserbericht der Vereinten Nationen von 2019 „Niemanden Zurücklassen“. Zusammenfassung hier: https://unesdoc.unesco.org/ark:/48223/pf0000367303_ger

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Nate

Ich bin Nate, schreibe über Gott und die Welt. Und alles was es dazwischen noch so gibt.

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